09.05.2023 Historie
Anfang der 30er Jahre machte die Deutsche Reichsbahn große
Anstrengungen, um das Reisen mit der Eisenbahn attraktiver zu
gestalten. Man wollte auch der zunehmenden Konkurrenz des Omnibusses
begegnen.
Um von den Witterungsverhältnissen und der Bindung an normale Züge
unabhängig zu werden, ließ die Deutsche Reichsbahn insgesamt 5
besondere Aussichttriebwagen bauen, bei denen durch entsprechende
wagenbauliche Gestaltung gute Sichtverhältnisse von allen Plätzen
geschaffen wurden. Zwei dieser Triebwagen wurden für den
elektrischen Betrieb eingerichtet, die drei anderen hatten
dieselhydraulischen Antrieb.
Die beiden elektrischen Aussichtstriebwagen für Einphasen-Wechselstrom
16²/³ Hz, 15 kV, wurden 1933 für die Reichsbahndirektion München in
Auftrag gegeben und 1935 mit den Betriebsnummern elT 1998 und 1999
geliefert. Hersteller waren die Waggonfabrik A.-G. H. Fuchs, Heidelberg
(wagenbaulicher Teil) und die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft,
Berlin (elektrische Ausrüstung).
Jeder Triebwagen kostete damals rd. 212500 RM. Der elT 1998 war
zunächst auf der Ausstellung “100 Jahre Deutsche Eisenbahn” vom 14.
Juli bis 13. Oktober 1935 in Nürnberg zu sehen. Er war wagenbaulich
gerade noch rechtzeitig fertig geworden, die elektrische Ausrüstung
fehlte zum Teil noch, so dass er nach Schluss der Ausstellung zur
Herstellerfirma zurück musste. Am 6. Januar 1936 begann dann der
Probebetrieb, die Abnahmeprobefahrt fand am 27.Februar 1936 von München
nach Kufstein und zurück statt. Der Probebetrieb war am 5. April 1936
beendet.
Der zweite Triebwagen, elT 1999, wurde am 30. Juli 1935 geliefert
und am 14. September 1935 abgenommen. Er blieb nach den Probefahrten
zunächst abgestellt für die Fahrzeugparade am 8. Dezember 1935 in
Nürnberg Rbf aus Anlass des 100jährigen Bestehens der Deutschen
Eisenbahnen.
Ab Frühjahr 1936 waren beide Aussichtstriebwagen beim Bahnbetriebswerk
(Bw) München Hbf im regelmäßigen Einsatz; die Fahrten wurden teils
öffentlich bekannt gegeben, teils von geschlossenen Gesellschaften
(Vereinen) bestellt.
Bereits im Winter 1936/37 fanden an bestimmten Verkehrstagen auch
Sonderfahrten über Strecken der Österreichischen Bundesbahnen statt:
München - Mittenwald - Innsbruck - München und München - Salzburg -
Bischofshofen - Wörgl - Kufstein - München. Schon damals wurde die
Bezeichnung Gläserner Zug verwendet.
Der Einsatzbereich der beiden Triebwagen war insgesamt noch recht
klein, denn im Süden Deutschlands und im angrenzenden Österreich waren
nur verhältnismäßig wenige Strecken elektrifiziert.
Im Jahre 1940 nummerte die Deutsche Reichsbahn die elektrischen
Triebwagen neu, die Aussichtstriebwagen elT 1998 und 1999 erhielten die
Betriebsnummern ET 91 01 und ET 91 02. Bei einem Bombenangriff auf
München am 9. März 1943 brannte ET 91 02 im Bw München Hbf aus, am 9.
Juni 1943 wurde er ausgemustert. Den ET 91 01 stellte man ab Spätsommer
1943 bis 1946 im kleinen Lokschuppen des Bahnhofs Bichl geschützt ab,
dann wurde er nach Wolfratshausen gebracht.
Im Sommer 1949 richtete das Bahnbetriebswagenwerk (Bww) München-Pasing
den ET 91 01 wieder betriebsfähig her, im Ausbesserungswerk Neuaubing
bekam er die inzwischen fällig gewordene Untersuchung und an 14. Juli
1949 kam der der Triebwagen wieder zum Einsatz.
Zunächst war er dem Bahnbetriebswagenwerk (Bww) München Hbf zugeteilt,
vom 1. Juli 1959 an bis zu dem Unfall am 12. Dezember 1995 dem Bw
München Hbf bzw. dessen Nachfolgern Bw München 1 und Bh München West.
Ab 1. Januar 1968 erhielt er seine dritte und letzte Betriebsnummer 491
001-4.
Der Einsatz des Gläsernen Zuges blieb nach dem Kriege zunächst auf
das verhältnismäßig kleine elektrisch betriebene Streckennetz in
Süddeutschland und Österreich beschränkt. In den folgenden Jahrzehnten
wurden immer mehr Strecken bei der Deutschen Bundesbahn und den
Österreichischen Bundesbahnen elektrifiziert; dies erweiterte die
Einsatzmöglichkeiten für den Gläsernen Zug. Neben immer weiteren Zielen
für Tagesfahrten kamen auch mehrtägige Touristikfahrten hinzu.
Auch auf den elektrifizierten Strecken der Schweizerischen Bundesbahnen
sowie vielen schweizerischen Privatbahnen konnte der Gläserne Zug ohne
große Schwierigkeiten eingesetzt werden.
Lediglich die Lageabweichung des Fahrdrahtes von der Gleismitte ist in
der Schweiz mit 20 cm nur halb so groß, deshalb musste für Fahrten in
die Schweiz einer der beiden Stromabnehmer mit einem passenden
Schleifstück ausgerüstet werden.
Findige Leute stellten fest, dass die Betriebswechselbahnhöfe in
einigen Fällen auch außerhalb von Österreich oder der Schweiz lagen.
Und so fuhr der Gläserne Zug mit eigener Kraft auch nach Italien
(Brenner, Domodossola, Luino), nach Frankreich (Pontarlier, Delle) und
nach Jugoslawien (Jesenice; heute Slowenien).
Manch ein interessantes Reiseziel hat der Gläserne Zug im Schlepp von
Dampf-, Diesel- oder E-Lokomotiven erreicht, jede dieser Fahrten bot
den Eisenbahnfreunden besonders reizvolle Fotomotive.
Eine kleine Auswahl der Fahrten ist auf der Zuglaufschildergalerie zu
sehen.
Fahrtbeschreibung
Niederösterreich/Ungarn 1985 mit Fplo GySEV (PDF-Datei, 0,7 MB)
Fahrtbeschreibung Sachsen 1990
mit Fplo DR (PDF-Datei, 0,5 MB)
Auswahl Fahrkarten DGEG-Sonderfahrten
(PDF-Datei, 1 MB)
Auszug Stationierung und Laufleistung des
491 001 (PDF-Datei, 0,3 MB)
Nur die Gleise der Deutschen Reichsbahn (DR) blieben dem Gläsernen Zug
bis 1990 verwehrt. Aber am 23.06.1990 war es dann soweit. Bei
Falkenstein
(Ofr.) an der Strecke von Lichtenfels nach Saalfeld (Saale) erreichte
der Gläserne Zug bei einer der vielen Sonderfahrten der DGEG erstmals
das Netz der DR.
In den folgenden Jahren bis 1995 kam der Gläserne Zug auch in alle 5
neue Bundesländer sowie am 22.05.1992 über Bad Schandau nach Decin in
die
damalige Tschechoslowakei.
Oft wurde um die Einsatzfähigkeit des Gläsernen Zuges gebangt.
Immer schwieriger wurde es, Ersatzteile für das betagte Fahrzeug zu
bekommen und durch die Schließung der Ausbesserungswerke in
München-Freimann und Stuttgart-Bad Cannstatt gingen technische
Ressourcen verloren.
Aber dass der Gläserne Zug durch einen Unfall aus dem aktiven Dienst
scheiden sollte wurde leider am 12. Dezember 1995 wahr. Bei einer Fahrt
von München über die Karwendelbahn nach Innsbruck stieß der Gläserne
Zug bei der Einfahrt in den Bahnhof von Garmisch-Partenkirchen mit der
Zuglok 1044 235 des auf Hp 0 ausgefahrenen RE 3612 frontal zusammen.
Bei dem Unglück wurde ein Reisender aus dem Gläsernen Zug getötet und
46 Personen aus den beiden Zügen zum Teil schwer verletzt.
Fplo 1736 für den 12.12.1995
(PDF-Datei, 0,2 MB)
Die Schäden an der ÖBB-Lok 1044 235 waren nicht so gravierend, der Gläserne Zug hingegen wurde auf der Seite des Antriebsdrehgestells schwer beschädigt. Der Rahmen wurde auf 3/4 der Fahrzeuglänge verzogen, Fahrmotor und Transformator wurden aus ihrer Verankerung gerissen, die Frontseite und die Inneneinrichtung zerstört.
Mehrere Tage stand das Fahrzeug an der Unglückstelle in Bf.
Garmisch-Partenkirchen abgestellt, wurde dann im Lokschuppen des Bw
Garmisch hinterstellt und Mitte Januar 1996 mit Hilfe eines
Eisenbahnkranes nach München überführt und im damaligen AW-Neuaubing in
einer Halle hinterstellt.
In der Folgezeit wurden verschiedene Gutachten für die betriebsfähige
Wiederaufarbeitung des Gläsernen Zuges erstellt. Letztendlich
scheiterte die Instandsetzung aber an den zu hohen Kosten.
Die z-Stellung erfolgte am 01.04.1997 und mit Datum 31.12.1997 wurde
der
Gläserne Zug aus den Bestandslisten der DB gestrichen und in das
Eigentum der Deutschen Bahn Stiftung gGmbH (DB Museum) überführt.
Auf der Startseite sind Links zur Einsatzübersicht, Chronik und
weiteren Dokumenten hinterlegt.
Vom 23.05. bis 25.05.2005 wurde der Gläserne Zug per
Straßentieflader
an seinen jetzigen Standort Sparda-Bank Rundhaus Europa im Bahnpark
Augsburg gebracht.
Der Gläserne Zug nach seiner Ankunft im Bahnpark Augsburg 25.05.2005 (© hkl)
Bahnpark Augsburg 06.06.2010 (© hkl)
Bahnpark Augsburg 06.06.2010 (© hkl)
Durch großzügige Spenden an den Gläsernen Zug e.V. konnten folgende
Arbeiten am und um den Gläsernen Zug im Bahnpark Augsburg realisiert
werden:
Elektroinstallation rund um den Glaszug mit Deckenstrahler und
Aktivierung der Spitzen- und Schlusslichter
Infoscreen für Besucher (Bilder und Filme zum Gläsernen Zug)
Beschädigten Teil für Besucher mit Blick auf die Unfallstelle begehbar
gemacht durch
- Einbau/Nachbau der Seitenfenster, je Seite 3 große Scheiben und eine
kleine Doppel-Scheibe
- Einbau/Nachbau der Oberlichtfenster
- Einbau/Nachbau von 4 Fenstern im Einstiegsbereich
- Einbau der Fensterverkleidung sowie der Seiten- und Deckenverkleidung
- Einbau von Heizungskanälen als Seitenabschluss
- Einbau eines tragfähigen Fußbodens
- Abgrenzungsgitter am Ende des Fußbodens mit Sicht auf die
Unfallstelle
- Befestigung der Lichtleisten und Entfernung herunterhängender Kabel
- auf beiden Seiten wurde je 1 Eingangstür gängig gemacht
Weitere Änderungen oder Ergänzungen an der beschädigten Seite
(Drehgestell bzw. Fahrzeugaufbau) sind derzeit nicht vorgesehen. Der
Gläserne Zug bleibt ein Standmodell im Bahnpark.
Bahnpark Augsburg 08.05.2021 (© hkl)
Bahnpark Augsburg 08.05.2021 (© hkl)
Bahnpark Augsburg 08.05.2021 (© hkl)
Bahnpark Augsburg 08.05.2021 (© hkl)
Bahnpark Augsburg 08.05.2021 (© hkl)
Bahnpark Augsburg 03.10.2021 (© hkl)
Bahnpark Augsburg 24.10.2021, neuer PVC-Boden (© hkl)
Für die museale Aufarbeitung wurde bei der Sparda-Bank Augsburg eG
ein
Spendenkonto eingerichtet. Der Verein Gläserner Zug e.V. ist gemäß
Schreiben vom 20.02.2023 des Finanzamtes Augsburg Stadt, Steuernummer
103/108/80855 als gemeinnützig anerkannt. Bitte Adresse auf der
Überweisung angeben oder separat mitteilen. Sie erhalten dann am
Jahresende eine Spendenbescheinigung für Ihre Steuererklärung
zugeschickt.
Gläserner Zug e.V.
Eigentum- und Besitzverhältnisse
Gläserner Zug:
Eigentümer: Deutsche Bahn Stiftung gGmbH, DB Museum, Nürnberg
Langfristiger Überlassungsvertrag zwischen Deutsche Bahn Stiftung
gGmbH, DB Museum, Nürnberg und Gläserner Zug e.V., München
Langfristiger Einstellungsvertrag zwischen Bahnpark Augsburg gGmbH,
Augsburg und Gläserner Zug e.V., München
Der Gläserne Zug Historie